Sarah Harvey - Küssen verboten

Abby Lane hat einen unumstößlichen Grundsatz: sich niemals auf einen geschiedenen Mann mit Kindern einzulassen. Zu sehr hat sie selbst als Scheidungskind unter der Trennung ihrer Eltern gelitten. Doch dann lernt sie Nathan kennen. Hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen für den frisch geschiedenen Vater und ihren Prinzipien gerät sie in ein regelrechtes Gefühlschaos. Soll sie ihrem Grundsatz treu bleiben oder auf die Stimme ihres Herzens hören?

Leseprobe:
Arbeite niemals mit Kindern oder Tieren. Das ist ein althergebrachtes Klischee, aber es stimmt, und noch unumstößlicher gilt: Arbeite niemals mit Kindern und Tieren gleichzeitig.
Irgendjemand sollte den Marketingmanagern verklickern, dass fünf Kleinkinder, ein junger Hund, zwei Kaninchen und eine schlecht gelaunte Katze, vier neurotische Mütter, heiße Studiolampen und zu viel Aufregung, Limonade und Sahnetorte dem Fotografieren teurer Kinderkleidung nicht förderlich sind. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, ein hundertfünfzig Pfund teures Partykleid für kleine Mädchen sieht einfach nicht optimal aus, wenn es mit Hundehaaren und Tortenmatsch übersät ist und mit, oh mein Gott, ist das etwa Kotze?
Ich tippe Kit, meiner Assistentin, auf die Schulter.
"Ist das Kotze?", frage ich sie und zeige auf Tiffany, drei Jahre alt, an deren blondem Lockenschopf Ramon, zweieinhalb Jahre alt, gerade voller Inbrunst herumreißt er sieht eigentlich viel zu engelhaft aus, um so brutal zu sein.
Die androgyne Kit ist so unergründlich wie ihr Geschlecht. Heute trägt sie Jeans und ein schwarzes Wildlederhemd mit Perlmuttknöpfen. Die Ärmel hat sie bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, sodass eine Männeruhr und ein geflochtenes ledernes Freundschaftsbändchen sichtbar sind, vorne trägt sie es weit genug aufgeknöpft, um erkennen zu lassen, dass sie keinen BH trägt. Die Jeans sitzen locker auf ihrer schlanken Hüfte, der schwarze Ledergürtel ist so lose geschnallt, dass der Bund einer schwarzen Männer-Boxershorts gerade so hervorlugt. Auf meine Frage hin unterbricht sie das Einlegen eines Films in meine zweitbeste Kamera, sieht mich an und fährt mit ihrer feingliedrigen Hand durch ihre schwarze Igelfrisur.
"Hältst du mich für eine Kotzefetischistin, oder warum fragst du?", entgegnet sie mit vergnügt blitzenden Augen.
Von Kit bekommst du nie die Antwort, die du erwartest.
"Ich frage", erkläre ich ihr und weiche geschickt aus, um den schreienden Ramon vorbeizulassen, der von Tiffanys vierjährigem Bruder verfolgt wird, "weil ich nicht sicher bin, ob es wirklich welche ist, und lieber eine zweite Meinung hören möchte, anstatt hinüberzugehen und einen Riechtest vorzunehmen."
"Ach so."
"Und? Was meinst du?", frage ich erneut und sehe besorgt nach unten, wo ein weißes Kaninchen mit erschreckend pinken Augen eines meiner teuren Lichtkabel anknabbert.
"Es sind Aprikosenkekskrümel, gemischt mit einem halben Glas Orangensaft", stellt Kit fest und wendet ihre Aufmerksamkeit wieder der Kamera zu.
"Bist du sicher?"
Kit nickt.
"Vertrau mir, ich stehe auf Kotze", erklärt sie mir mit spöttisch hochgezogenen Augenbrauen.
"In dem Fall kann ich mich selber darum kümmern."
"Es kommt genauso raus, wie es reingekommen ist", murmelt Kit, um mich zu beruhigen. "Es ist immer noch Essen."
"In dem Fall musst du dich darum kümmern", stelle ich klar und reiche ihr das Putztuch, das ich mir gerade genommen habe.
"Kein Problem", erwidert Kit und nimmt das Tuch. "Und du kannst dichdarum kümmern", sagt sie, während sie lässig an mir vorbeischlendert.
Ich blicke in die Richtung, in die sie genickt hat.
Wenn ich mich nicht sehr irre, hat der kleine Hund soeben in die Ecke gekackt.
Ich unterdrücke einen Schrei.
Dieses morgendliche Fotoshooting ist für einen meiner wichtigsten Kunden.
Dieses morgendliche Fotoshooting war von Anfang an ein Desaster.
Ich fürchte, die Casting-Agentur hat mir fünf der bestaussehenden, aber ungezogensten Kinder geschickt, die sie in ihrer Kartei hatten, und was die Tiere angeht, na ja, eines der Kaninchen hat eines der Kinder gebissen, die Katze hat jeden gebissen, inklusive den kleinen Hund, der sich, nachdem er seinen Haufen gemacht hat, jetzt hinter dem geblümten Sessel versteckt, den ich für das Shooting benutze, und sich standhaft weigert, dahinter hervorzukommen. Ramon hat Tiffany gebissen, Tiffanys großer Bruder hat Ramon gebissen, und ihre Mütter sind gerade dabei, sind...

http://www.weltbild.de/1/pprod.randomhouse/randomhouse.html?b=244142&isbn=9783442542369